Von Martina Schimmel, Deutschland Managerin zentrada.Europe
Obwohl die goldenen Zeiten für Einsteiger in den Onlinehandel vorbei sind,gibt es noch immer viele Interessierte, die sich mit Amazon FBA, Facebook-Shopsoder Dropshipping ein zweites Standbein neben ihrem Angestellten-Daseinaufbauen wollen. Eine der Kernfragen ist dann häufig: Mit welchem Produkt sollich starten?
Erster grundsätzlicher Ratschlag von allen Experten: Starte zuerst mitHandelsware. Denn bevor sich ein Händler auf den Weg „Eigenimport undGestaltung eines Private Labels“ macht, sollte er ausreichend Erfahrung alsHändler dieser Produktgattung haben. Zuerst sollte man also immer mit demEinkauf in Europa setzen und prüfen, welche Anforderungen die Kunden an dieProdukte stellen, wo mögliche Verbesserungsstellen sind und welche Probleme esbei der Qualität geben kann.
Schließlich gibt es auch so im ersten Schritt genug zu lernen: Was muss ichbeachten, wenn ich mich nebenberuflich selbstständig mache? Wie funktioniertder Onlinehandel – und speziell der Handel bei Amazon? Welche Voraussetzungenerwartet Amazon bei der Anlage eines bestimmten Produkts. Je nach Kategorieunterscheidet sich dies…Zum Abschluss dieses Beitrags haben wir noch eine kurzeCheckliste für den Start zusammengestellt.
Handelswareist im Gegensatz zu speziell für einen Kunden entwickelte Produkte, bereitskomplett fertig entwickelt und ausgetestet. Die meisten Produkte auf Alibabasind im eigentlichen Sinne Handelsware – und in den meisten Fällen besteht einPrivate Label daraus, dieser Handelsware ein individuelles Logo aufzubringen.Ziel dieser Aktion ist es, ein einzigartiges Listing bei Amazon zu generieren,an das sich keine Wettbewerber anhängen können, die dann den Preis kaputtmachen.
Der Vorteil vonHandelsware gegenüber einer kundenindividuellen Produktion: Je nachProduktgruppen und Frachtmöglichkeiten muss – egal wie produziert wird - einedeutlich höhere Menge gekauft werden. Ein hohes Risiko, wenn man bedenkt, dassder Auftraggeber sich mit dem entsprechenden Produkt noch gar nicht auskennt.
Aucherfahrene Online-Händler starten deshalb in neuen Produktgruppen immer mitHandelsware aus der EU. Damit können sie sofort erkennen, welche Zertifikateerfahrene Importeure nachweisen und sammeln außerdem Erfahrungen mit denProdukt- und Kundenfeedbacks. Sie erkennen, welche Anforderungen Kunden an dieProdukte haben, wie groß die Marktnachfrage ist, welche Preisniveaus am Marktdurchsetzbar sind und welche Features Probleme machen. Diese sind dannGrundlage von Produktinnovationen bei eigenen Entwicklungen. Der angenehmeNebeneffekt: Für immer mehr Kategorien erwartet Amazon zur Freischaltung eineLieferantenrechnung als Beleg. Dafür eignen sich die Rechnungen dereuropäischen Hersteller und Importeure allgemein besser als eine chinesische.
Wenn sich einOnline-Händler für den Import aus China entscheidet, muss er beachten, dass erdamit zum Quasi-Hersteller wird. In vielen Segmenten gibt es zum Schutz deseuropäischen Verbrauchers gesetzliche Vorschriften und Verordnungen, die einProdukt, das in die EU eingeführt werden soll, erfüllen muss. Beispielsweisebei Elektrogeräten, Spielwaren oder auch Produkten, die mit Lebensmitteln oderdem menschlichen Körper in direkten Kontakt kommen. Gibt es derartigeRegularien für eine Produktgruppe, dann muss der Importeur anhand einerKonformitätserklärung darlegen, dass das importierte Produkt den Vorschriftenentspricht („konform ist“). Am Produkt selbst wird das CE-Zeichen angebracht,um das Erfüllen der Vorschriften offen zu zeigen.
Beim Importin die EU prüft die zuständige Zollstelle, ob das Produkt diese Verordnungenerfüllt. Der Importeur ist dafür verantwortlich, all diese Verordnungeneinzuhalten und haftet in diesem Zusammenhang auch für spätere Schäden, die dasProdukt verursacht.
Der Importeursollte sich also vorher darüber informieren, welche Nachweise, Zertifikate undKennzeichnungen die Produkte benötigen.
Kauft derOnlinehändler die Produkte dagegen in Europa ein, dann ist hierfür derImporteur zuständig. Der erfahrene Importeur kennt sich mit den ganzen Regelnund Vorschriften aus und weiß genau, was er testen lassen muss. Und wenn esspäter ein Problem mit einem Produkt gibt, kann der Händler den Importeur inRegress nehmen. Ich erinnere an die Import- und Zollmisere der Fidget Spinnerim Frühjahr 2017…
Wie sieht das ideale Einstiegsprodukt aus?
Es gibt eine ganze Menge an Voraussetzungen an ideale Produkte für denOnlinehandel mit Amazon. Im Idealfall handelt es sich um ein Produkt, das esbislang auf Amazon noch nicht gibt…. Und das sind viel mehr als man denkt….. Suchtdeshalb nach Produkten, die es noch nicht auf Amazon gibt und erstellt damiteuer eigenes Listing. Eine gute Möglichkeit hierfür sind ausländischeLieferanten, die bei den deutschen Händlern noch kaum vertreten sind. Damit habtIhr ein eigenes Listing (sogar mit der Original-EAN des Herstellers) und seid nichtim Preiswettbewerb mit vielen Konkurrenten. Auf der Großhandelsplattformzentrada sind über 60 % der Produkte von Anbietern aus dem EU-Ausland..
Für fortgeschrittene Händler eignet sich dann auch die Möglichkeit vonProdukt-Bundles. Dazu kreiert der Onlinehändler ein neues Set aus bereitsvorhandenen Produkten. Beispielsweise ein Federhalter im Paket mit der Tusche.So kreieren er sein eigenes Listing für das er keine Konkurrenz hat. Nötig dazuist Kreativität und – zumindest auf den meisten Marktplätzen – eigeneEAN-Nummern.
Achtet auch auf die Produktmaße und das Preis-Leistungsverhältnis. Dasideale Produkt für Amazon FBA ist klein und leicht, denn dann fallen wenigVersand- und Lagerkosten an. Außerdem sollte es nicht zu billig sein, dieunterste Preisschwelle (Brutto-Verkaufspreis) ist 10 Euro, darunter werdenaufgrund der Pauschalgebühren von Amazon die Margen zu schwierig. Natürlichgibt es auch viele günstigere Produkte auf dem Marktplatz, mit denen Händlerauch Geld verdienen, doch für den Start ist ein Produkt zwischen 15 und 20 Euroideal.
Aktuell istdas Thema Dropshipping mal wieder als die Methode für das schnelleGeldverdienen im Gespräch. Unter dem Stichwort „Shopify Dropshipping“ schießenVerkäufer von Ausbildungs-Kursen aus dem Boden und versprechen „Viel Gewinn mitwenig Arbeit“. Aus diesem Grund wollen wir dieses Thema hier auch kurzbeleuchten.
Dropshippingbedeutet, dass der Händler, der ein Produkt an einen Kunden verkauft, diesesihm nicht direkt schickt. Stattdessen schickt der Händler einen Auftrag an denProduzenten, der dieses dann direkt an den Kunden verschickt. Der Vorteil fürden Händler: Er muss die Ware nicht auf Lager nehmen und vorfinanzieren. Dafürerhält im Gegenzug der Hersteller einen Serviceaufschlag für das Versenden voneinzelnen Aufträgen. Der Nachteil des Systems: Der Händler hat die Ware selbstnie in den Händen, kann also weder die Qualität des Produkts prüfen, noch weißer genau, was der Hersteller verschickt hat. In Zusammenhang mit Dropshippingaus Asien kommen auf den Hersteller die gleichen Pflichten zu wie beim normalenImport. Auch hier ist der Händler der Inverkehrbringer der Ware und haftet füreventuelle Schäden. In der Regel wird Asien-Dropshipping nur mit günstigenProdukten betrieben, die beim Zoll nicht auffallen und deshalb einfach sodurchgehen. Ein seriöser Händler sollte Dropshipping nur mit Lieferantenbetreiben, die absolut zuverlässig sind und die Prozesse im Vorfeld abstimmen.Häufig wird Dropshipping als Sortimentsergänzung betrieben. Dann nimmt derHändler sein Kernsortiment und die Produkte, die häufig verkauft werden aufLager. Den Rest bietet er dann im Dropshipping-System mit wenig Risiko an.
Zwei gute Start-Strategien:
Private Label light
BeimStichwort Private Label denken viele Amazon Händler intuitiv an das Sourcing inChina. Die Risiken, die damit verbunden sind, haben wir bereits beschrieben. Miteiner geschickten Kombination aus Handelsware und Kreativität können auchEinsteiger den Weg ins Private Label finden.
Zu Beginnsetzt der Onlinehändler dabei auf No-Name Handelsware, bringt dortbeispielsweise sein eigenes Logo an und listet mit seinen eigenen EANs. DieMindestbestellmengen sind hierbei regelmäßig überschaubar, so dass dasfinanzielle Risiko kalkulierbar ist und das Produkt schlank im Markt getestetwerden kann. Aus den Erfahrungen kann der Onlinehändler Produktverbesserungenentwickeln und diese entweder mit dem erfahrenen Importeur oder direkt in Chinaverwirklichen.
Die Trendsetter-Strategie
Einzigartigkeitmuss man aber nicht immer mit einem eigenen Label erreichen. Und seien wir malehrlich: Der Kunde erkennt mittlerweile sehr schnell ob es sich um eine echteMarke handelt oder nur die gleichen Produkte unter einem anderen Namenangeboten werden. Eine bessere Möglichkeit ist deshalb das permanente Setzenauf neue Produkte.
Jedes Produkthat einen Produktlebenszyklus, der aus Einführung, Wachstum, Höhepunkt undAbschwung besteht. Im Onlinehandel ist dieser Lebenszyklus deutlichausgeprägter und schnell lebiger als im stationären Handel. Das kann man beispielsweisean den bereits erwähnten Fidget Spinnern im Jahr 2017 sehr gut sehen. ImOnlinehandel waren die Spinner bereits Ende 2016 erhältlich und wurden dortauch gut verkauft. Im Frühjahr 2017 waren die Spinner im Onlinehandel nichtmehr rentabel zu verkaufen, die Preise waren bereits verfallen. Erst da ist derStationärhandel auf diese Produkte gekommen… und die Kunden standen Schlange umeinen zu erhalten. Ein reiner Onlinehändler muss deshalb auf einen neuen Trendsehr früh aufspringen und muss dann schnell lieferfähig sein. Ansonsten läufter Gefahr, dass er am Ende auf Restmengen sitzen bleibt.
VieleOnlinehändler suchen sich bei erfahrenen europäischen Importeuren regelmäßigdie neuen Produkte heraus. Listen diese neu bei Amazon ein – und sobald die Nachahmerkommen und der Preiskampf beginnt, suchen sie sich wieder neue Produkte.
Wo finden neue Onlinehändler Handelsware aus Europa?
Zentrada.de: Europäische Beschaffungsplattform für Händler (stationär wieonline) im Bereich Konsumgüter. Alle Produkte wurden bereits in die EUimportiert. Interessant für Händler, die Handelsware ohne eigene Entwicklungsarbeitverkaufen möchten. Über 60 % der Produkte auf dem deutschen Marktplatz kommenaus dem EU-Ausland. Die Registrierung als Basis-Mitglied ist kostenfrei.
Messen: Deutschland ist ein Messeland. Es gibt für fast jeden Fachbereicheine Fachmesse in Deutschland. Einen Überblick gibt es unter www.messen.de Beispielsweise im BereichDekoration und Haushaltsartikel die Frankfurter Messen Ambiente undChristmasworld oder – etwas breiter – in Köln die Internationale AktionswarenmesseIAW.
Über dieAutorin: Martina Schimmel (Dipl.-Kfm.) ist Deutschland-Managerin derBeschaffungsplattform zentrada und damit bei dem europaweitenGroßhandels-Marktplatz für die Betreuung der deutschen Lieferanten sowieEinkäufer verantwortlich. Die gelernte Journalistin beschäftigt sich seitJahren mit den innovativen Themen des Handels. Als nebenberufliches Hobbybetreibt sie das Schneekugelhaus und kennt damit auch die Themen Asien-Import,Vertrieb über Online-Shop und Amazon FBA sowie den Aufbau einesHandelsvertriebs aus eigener Erfahrung.
Checkliste für den Start in den Onlinehandel
Formuliere deinen Geschäftszweck beim Gewerbeamt möglichst breit,aber starte fokussiert:
Je nach Gewerbeamt wird eine mehr oder weniger klare Einordnungdes künftigen Gewerbebetriebs gefordert. Dabei sollte man sich für seinkünftiges Business so wenig wie möglich einschränken lassen. Bewährt hat sicheine Formulierung wie „Im- und Export von Waren aller Art, auch Onlinehandel“.Sofern das „Waren aller Art“ nicht durchgeht, sollte man auf eine Aufzählungmöglichst breiter Segmente übergehen, beispielsweise „Im- und Export vonNon-Food, wie beispielsweise Haushaltswaren und Verbrauchsgüter, Dekoration undSpielwaren, Textilien und Accessoires“. Darunter fällt außer Lebensmittel soziemlich alles… und wer nicht gezielt vorhat, im Bereich Lebensmittel zustarten, sollte diese am besten gleich ausklammern, da der Handel mitLebensmitteln spezielle Prüfungen und Regeln nach sich zieht.
Beantrage sofort eine UID, auch wenn Du als Kleingewerbetreibenderstartest:
Nurmit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer kannst du im europäischen Auslandmehrwertsteuerfrei einkaufen. Auch wenn ein Selbstständiger zurKleingewerberegelung optiert, kann er eine UID beantragen – und sollte diesauch. Denn gerade im Onlinehandel kommen viele Rechnungen (fast alle vonAmazon) aus dem europäischen Ausland, und ohne UID zahlt der deutscheFBA-Händler die Steuer dann sogar doppelt….
Fokussiere dich auf eine Produktgruppe mit viel Nachfrage undmöglichst wenig Vorschriften:
Werin den Onlinehandel einsteigt, sollte es sich nicht unnötig schwer machen. Esgibt viele Kategorien mit einer hohen Nachfrage (typisch wäre zum BeispielHaushaltswaren oder Dekoration), die trotzdem wenige spezielle Vorschriften andie Produkte haben (sofern die Produkte nicht mit Lebensmittel in Kontaktkommen) Finger weg von Elektronik! Dieser Standardspruch gilt nicht nur für denAsienimport, sondern auch für Händler mit Handelsware aus Europa. Denn auch indiesem Fall gibt es noch zusätzliche Vorschriften, wie die Entsorgung vonElektroschrott, Batterien etc.
Kreiert ein gutes Listing mit eigenenAussagen
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit im Onlinehandel, aber trotzdemsollte es erwähnt werden, denn leider halten sich noch immer nicht alle daran.Im Onlinehandel sind gute Bilder und Texte das A und O. Die Texte müssen dabeizwei Ziele verfolgen: Erstens müssen sie alle notwendigen Keywords enthalten,nach denen der Kunde suchen könnte und zweitens müssen sie alle Fragenbeantworten, die der Kunde zum Produkt stellen könnte. Und das ist in der Regelviel mehr als der Hersteller der Produkte an Produktinformation zur Verfügungstellt. Setzt also auch bei der Benamung des Artikels eure Kreativität ein –nicht immer ist es sinnvoll die Produktbezeichnung vom Hersteller zuübernehmen. Sofern der Hersteller nicht gute Bilder (Produktansichten ausverschiedenen Perspektiven) liefern kann, solltet Ihr diese selbst erstellen(lassen).
Organisiert die erste Lieferung insAmazon-Lager selbst
Bestellt am Anfang lieber weniger als in eurer Verkaufszielplanunganvisiert (aber mehr als nur eine Mustersendung) und verschickt diese selbstans Amazon-Lager. Ihr braucht dazu nämlich genaue Infos über die Verpackung,Unterverpackung, welche Aufkleber auf den Produkten sind und vieles mehr. Erstwenn Ihr diese Erfahrung selbst gemacht habe, könnt Ihr einen Dienstleisterauch richtig briefen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Amazon die Sendungnicht richtig zuordnen kann und erst einmal auf Halde legt. Und warum dieMustersendung dafür nicht ausreicht? Viele Hersteller verschicken und verpackenMustersendungen ganz anders als die „normale“ Lieferung. Deshalb sollte mannicht vom einen auf das andere schließen.