Der stationäre Handel blickt sorgenvoll in die Zukunft. Von vielen Seiten hören stationäre Händler den Rat, zusätzlich einen Online-Shop zu eröffnen. „Das ist genau der falsche Weg!“ setzt MARTINA SCHIMMEL, Zentrada Deutschland, dagegen.
Weil es dafür längst zu spät ist. Ein Händler, der heute noch keinen Onlineshop hat, braucht – sofern er nicht die Mega-Nischen-Idee hat – nicht mehr damit zu starten. Der Konkurrenzdruck im Internet ist mörderisch und der Preiskampf enorm. Im Internet werden gerade die Großen immer größer, und die Kleinen bleiben auf der Strecke. Wie will sich ein Händler, der gerade seinen Shop eröffnet, da behaupten? Die Erfolgsfaktoren im Onlinehandel unterscheiden sich ja enorm von denen des stationären Handels. Er muss also komplett neu anfangen. Im Gegenteil, wir sehen sogar viele Onlinehändler, die in die Fläche gehen.
Natürlich muss sich auch der stationäre Handel mit dem Internet und mit neuen Technologien beschäftigen. Er braucht als Minimum eine Homepage mit den wichtigsten Infos zu seinem Geschäft. Auch Social-Media-Aktivitäten können interessant sein und neue Kunden bringen. Ein interessanter Baustein kann ein eMail-Newsletter für Kunden sein. Außerdem bietet das Internet viele Instrumente im Bereich Kundenerlebnis und Inszenierung. Im Fashionhandel sehen wir gerade den Trend, im Laden einen Bereich so zu gestalten, dass er einen idealen Background für Selfies und Social Media abgibt. Der Händler sollte das machen, was für ihn sinnvoll ist. Denn das Internet ist nicht der Feind des Handels. Es ist schlicht eine Technologie, die es zu nutzen gilt.
Der Handel muss agiler werden und sich dabei auf sein ureigenstes Thema, die Sortimentspolitik fokussieren. Aktive Sortimentspolitik lautet das Gebot der Stunde.
Das Sortiment aktiv gestalten, ergänzen und öfter wechseln. Wie das konkret aussehen kann, hat viel mit der Lage eines Geschäfts zu tun. Grundsätzlich muss sich der Handel mit seinem Sortiment stärker an seinen Kunden und der Umgebung orientieren. In vielen ländlichen Gegenden wird das Thema Nahversorgung immer kritischer. So entstehen Dorfläden, die bislang aber in der Hauptsache frische Lebensmittel aus der Umgebung anbieten. Nachversorgung bedeutet aber auch die anderen Güter des täglichen Bedarfs, wie Drogerie, Kosmetik, Basis-Textilien wie Socken und Unterwäsche und einige Teile von Haushaltswaren.
Das kann ein Ansatz sein. Grundsätzlich sollte sich der Händler zuerst die Kunden anschauen, die bereits bei ihm einkaufen. Und im zweiten Schritt muss er seine Umgebung betrachten nach den Sortimenten, die dort fehlen und diese ergänzen. Dann heißt es Frequenz schaffen. Dies kann er beispielsweise durch die Integration eines Paketshops, einen Kaffeeausschank, eine Lotto-Toto-Annahmestelle oder andere Services.
Auch hier muss man zwischen Oberzentren und Nebenzentren unterscheiden. Denn was in der 1A-Lage in der Großstadt funktioniert, läuft meist nicht in einem Stadtteil. Stadtteile sind eher Nahversorger der Anwohner. Die Zentren ziehen dagegen Touristen und Besucher aus dem Ausland aber auch aus umliegenden Dörfern an. Diese fahren in die Stadt um etwas zu erleben. Sie suchen nicht nach konkreten Produkten, sondern wollen inspiriert werden.
Teilweise. Die großen Marken wie Nike oder Apple bauen ihre Markenshops in diese Richtung um. Da geht es darum, um die Produkte herum Geschichten zu erzählen, die die Markenbotschaft transportieren. Doch der normale Händler muss den Kunden durch seine Produkte inspirieren und überraschen. Schauen Sie sich das Thema Küchengeräte an. Ich gehe davon aus, dass der Kunde von morgen, das, was er sucht und braucht, im Internet bestellt. Dort recherchiert er zuerst nach dem passenden Produkt und in der Regel wird er es dann auch dort kaufen. Also ist es wichtig, dass der stationäre Händler einen Kunden, der in seinen Laden kommt mit Produkten überrascht, die der noch gar nicht kennt und nach denen er auch nie gesucht hätte. Und natürlich auch mit Produkten, die es im nächsten Laden nicht genauso gibt.
Ja, genau. Der Händler muss aktive Sortimentspolitik betreiben. Das Verhältnis zwischen Basissortiment und Wechsel-Sortiment muss sich deutlich ändern. Ein Glas-Porzellan-Händler hat heute die gesamte Breite der Marken und Produktwelten. In der Zukunft hat er ein kleineres Basissortiment und dafür einen größeren Anteil an wechselnden Sortimenten. Beispielsweise nach Saison, nach Themenwochen (französische Woche etc.) oder nach regionalen Gesichtspunkten.
Der informiert er sich sowie zuerst im Internet. Aber auch wenn er in den stationären Handel kommt, muss der Händler keine fünf verschiedenen Geräte dazu vorhalten. Es reicht, wenn er die Unterschiede auf einem Notepad erklären kann. Wichtig ist aber, dass er einen Thementisch zu „Gesund kochen“ kreiert mit Rezeptbüchern, Gewürzen, Tischdekoration und damit die vorbei flanierenden Kunden überhaupt erst auf die Idee bringt, sich mit dem Thema Dampfgarer zu beschäftigen. Das ist jetzt natürlich nur ein kleines Beispiel, aber es illustriert das Prinzip gut. Viele Händler machen das schon heute. In der Zukunft wird es aber deutlich mehr Aktionen und Themen geben müssen, während das Basissortiment eher zurückgeht.
Auf jeden Fall. Die echten Fachhändler wandern zunehmend ins Internet, da auch der Kunde von morgen den Such-Einkauf hauptsächlich im Internet erledigt. Warum sollte sich also ein stationärer Händler innerhalb von engen Sortimentsgrenzen bewegen? Stattdessen wird es mehr kundenorientierte Konzept-Stores geben, die für spezielle Zielgruppen passende Produktinspirationen bieten. Das funktioniert im Niedrig-Preis-Segment übrigens genauso wie im Premium-Bereich.
Der Händler brauchte neue und mehr Lieferanten aus verschiedenen Sortimentsbereichen. Warum soll ein Schreibwarenhändler, der eine Aktion zu Cars3 macht, nicht auch die passende Bettwäsche und T-Shirts dazu anbieten? Außerdem braucht er Lieferanten, die kurzfristig in kleinen Mengen liefern und die niedrige Mindestbestellwerte haben. Schließlich sollen die Produkte der Themenaktion nach der Aktion verkauft sein. Oder kurzfristig nachbestellbar sein, wenn die Aktion gut läuft. Dafür gibt es Internet heute viele Lösungen. Der Großhandels-Marktplatz zentrada ist nur einer davon.
Aktiv werden. Nicht abwarten, bis die Politik oder wer auch immer mehr Kunden in die Städte und den Handel bringen. Denn das wird wohl eher nicht geschehen. Aktiv nach neuen Ideen, Produkten und Anwendungen suchen – am besten im Internet, denn dort geht es schnell und einfach. Wer beispielsweise bei amazon oder bei zentrada in seinem Basissortiment nach Produkten schaut, sieht auf Anhieb eine Menge Ideen, die er in seinem Laden bislang sicher noch nicht hatte. Und parallel dazu die Kunden beobachten. Und zwar die, die am Laden vorbei gehen ebenso wie die, die in den Laden kommen.